In unserer PT-Zeitschrift für Physiotherapie_66 (2014) 4 las ich eine interessante Zusammenfassung (Abstract) mit folgender Fragestellung:
Kann ein präoperatives (Training vor einer OP) Heimprogramm die Beweglichkeit eines an Arthrose erkrankten Knies verbessern und beeinflusst dies die Beweglichkeit und funktionelle Genesung nach Implantation einer Knieendoprothese?
Zur Beantwortung der obigen Fragestellung schlossen Matassi et al. Über den Zeitraum von einem Jahr 122 Patienten mit Kniearthrose in ihre prospektive Studie (1) (Begriffserklärung am Ende des Textes) ein. Die Teilnehmer wurden randomisiert (2), in eine Kontroll- und eine Interventionsgruppe (3) aufgeteilt.
In der Interventionsgruppe führten die Patienten ein sechswöchiges Heimprogramm vor der Implantation einer Knieendoprothese durch.
Folgende Assessments (Bewertungen/Beurteilungen oder Einschätzungen) wurden mit allen Teilnehmern vor und nach der Intervention (Durchführung) und sechs Wochen, sechs Monate und ein Jahr nach der Operation durchgeführt:
- Beweglichkeit des Kniegelenks
- Länge des Krankenhausaufenthalts
- und der Zeitraum, bis eine 90 Grad Kniebeugung erreicht wurde.
So konnte gezeigt werden, dass das Trainingsprogramm die Kniegelenksbeweglichkeit noch vor der Operation verbessern konnte. Nach der Operation erreichten die Teilnehmer der Interventionsgruppe die 90 Grad Kniebeugung schneller und verweilten kürzer im Krankenhaus. Dieser Vorsprung der Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe verschwand jedoch zwischen den Messzeitpunkten von sechs Wochen und einem Jahr postoperativ (nach OP).
Zusammenfassend konnten die Autoren so feststellen, dass ein präoperatives Trainingsprogramm bei Kniearthrose die unmittelbar postoperative Genesung nach Kniegelenksendoprothese beschleunigt.
Was schließen nun wir in unserer Praxis aus dieser Studie?
Diese Studie aus dem Jahr 2012 zeigt den Nutzen einer präoperativen Vorbereitung bei einer operativen Kniegelenksendoprothesen-Versorgung.
Wie sieht jedoch der Alltag aus?
Patienten werden oft mit folgenden Aussagen abgespeist. „Sie haben eine Arthrose, da kann man nichts mehr machen.“ „Nehmen Sie Schmerzmittel und versuchen Sie, den Zustand noch ein paar Jahre hinaus zu zögern.“ „Wenn Sie trotz der Schmerzmittel nicht mehr klar kommen, dann ist ein künstliches Gelenk erforderlich …“ (siehe dazu auch Arthrose – der Weg zur Selbstheilung von Eckhard K. Fisseler).
Wir stellen uns die grundsätzliche Frage: Warum kommt es zu einer Kniearthrose? Wie immer gibt es verschiedene Ursachen.
Meiner Meinung nach existieren jedoch zwei Hauptgründe!
über Jahre hinweg eine ständige Fehlspannung im System Faszien und Muskulatur und eine über Jahrzehnte gehende Fehlernährung (übersäuerung).
Eine Operation behebt nur die Folgen (Symptome), verändert jedoch nichts an den Ursachen. Das ist einer der Gründe, warum Patienten nach ein, zwei oder drei Jahren oftmals wieder zum Arzt kommen und über erneute Schmerzen im operierten Gelenksbereich klagen.
Ich höre täglich die Kommentare: „Dann lass dich doch endlich operieren!“
Eine OP ist jedoch immer der letzte Ausweg und keine ursächliche Behandlung. Das sollte jedem Patienten, der sich zu einer OP entschließt, bewusst gemacht werden.
Die oben erwähnte Studie zeigt für mich nur in kleinen Ansätzen, dass bei einem präventiven Training noch sehr viel mehr möglich ist. In dieser Studie ist ein Zeitraum von sechs Wochen sehr wenig. Ich bin mir sicher, dass anstatt einem ausschließlichen Heimprogramm, ein regelmäßiges Liebscher & Bracht® Bewegungstherapie Training in Kombination mit Ernährung (siehe dazu auch Arthrose – der Weg zur Selbstheilung von Eckhard K. Fisseler) sehr viel mehr an Erfolg gebracht hätte.
Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass wir vielen Patienten mit der oben genannten Herangehensweise eine OP erspart haben. Die Patienten, die dennoch nach einer bestimmten Zeit operiert werden mussten, waren hervorragend vorbereitet, hatten einen sehr guten Operationsverlauf, eine sehr gute Reha und waren anschließend fit und konnten ihren Alltag wieder proaktiv gestalten.
Ihr Hubert Brüderlein
Begriffserklärungen
1. Prospektive/retrospektive Studie– Bei einer prospektiven Studie handelt es sich um einen wissenschaftlichen Versuch, der in die Zukunft geplant wird. Die Einteilung der Teilnehmer in die Versuchs- und Kontrollgruppe darf später nicht mehr verändert werden. Von einer retrospektiven Studie spricht man, wenn die Versuchs- und die Kontrollgruppe rückblickend gebildet werden. Hier besteht die Gefahr, dass ungeeignete oder nicht ins Bild passende Teilnehmer ausgeschlossen werden, um das Resultat zu erhalten.
2. Randomisierte, kontrollierte Studie– Eine Einteilung der Teilnehmer in die Versuchs- und Kontrollgruppe erfolgt bei einer randomisierten Studie zufallsverteilt. Die Versuchs- und Kontrollgruppe müssen in allen wichtigen Belangen identisch sein, d. h. nur Frauen bzw. Männer oder gleiches Geschlechtsverhältnis, gleiche Altersverteilung, gleicher Trainingszustand, Trainingsvolumen und -intensität usw.
3. Interventionsgruppe– Bei klinischen Studien beinhaltet die Interventionsgruppe Probanden, welche die zu untersuchende Therapie erhalten. Das Gegenteil hierzu ist die Kontrollgruppe, deren Probanden die herkömmliche (oder keine) Behandlung erhalten.