Faszien sind reichhaltig mit sensiblen Nervenendungen versorgt und können daher eine Schmerzquelle im Körper darstellen. Es gibt vier unterschiedliche Rezeptorarten im Körper, die für die Körperwahrnehmung sehr wichtig sind. Rezeptoren sind Messfühler, die Informationen wahrnehmen und weiterleiten.
Wir unterscheiden die Golgi-, Pacini- und Ruffini-Rezeptoren. Die sogenannten Freien Nervenenden bilden das vierte Glied in diesem System. Die Golgi-Rezeptorenfindet man nicht nur an Übergängen von Muskeln und Sehnen, sondern auch in Gelenkskapseln und Bändern. Diese Golgirezeptoren werden bei aktiver muskulärer Anspannung aktiviert. Die Golgi-Rezeptoren sind mit dem Rückenmark verknüpft.
Werden die Golgi-Rezeptoren stimuliert (Muskelanspannung), dann führt dies unmittelbar zur Tonus- (Spannungs)-senkung in der quergestreiften Muskulatur. Das bedeutet, ich habe eine Muskelentspannung, eine Änderung der Faszienspannung wird jedoch nicht bewirkt.
Für die tägliche Praxis bedeutet dies, dass reine passive Dehnungen (z. B. Yoga) zuerst von dem wesentlich nachgiebigeren Muskelgewebe aufgefangen werden. Mit den Engpassübungen aus dem Liebscher & Bracht® Bewegungstherapie erreiche ich beide Strukturen von Muskel- und Fasziengewebe. Wir haben bei diesen Übungen nicht nur passive, sondern auch aktive Elemente wie zum Beispiel Kräftigung der Muskulatur in Länge, Ansteuerungsimpulse und auch langsame, schmelzende , dreidimensionale Bewegungsmuster dabei. Durch diese Vielfalt an unterschiedlichen Reizen, erreichen wir auch die Faszien.
Die Pacini-Rezeptorenliegen in tiefen Schichten von Gelenkskapseln, Bändern im Bereich der Wirbelsäule, in der Knochenhaut oder in den einhüllenden Muskelfaszien. Diese Rezeptoren haben oft eine sehr geringe Reizschwelle. Das bedeutet, dass diese Rezeptoren bei ruckartigen oder schaukelnden Bewegungen (Druckwechsel) stimuliert werden. Mit Bewegungsübungen aus dem Liebscher & Bracht® Bewegungstherapie-Bereich werden auch diese Rezeptoren aktiviert und trainiert.
Die Ruffini-Rezeptorenbefinden sich in allen Bereichen von faszialem Gewebe. Die Reizschwelle ist ebenfalls gering. Für den Therapeuten bedeutet dies, dass er diese mit ruhigen Handgriffen stimulieren kann.
Die Freien Nervenendensind wahrscheinlich die am meisten unterschätzten Rezeptoren im menschlichen Körper. Dieses verborgene Netzwerk kleinster Rezeptoren scheint vom Körper mit einer besonders wichtigen Aufgabe bedacht zu sein, denn es findet sich in fast allen Körpergeweben und übertrifft zahlenmäßig alle anderen Rezeptoren des Körpers um ein Vielfaches. Die freien Nervenenden beeinflussen sowohl das vegetative Nervensystem wie auch die Schmerzwahrnehmung. Die freien Nervenenden werden bei Druckwechsel aber auch bei anhaltendem Druck stimuliert.
Aufgrund dieser Erkenntnisse kann ich mir heute gut erklären, warum es manchmal bei der Osteopressur nach Liebscher & Bracht® zu vegetativen Reaktionen des Patienten kommen kann. Unser Fasziensystem als sechster Sinn bietet vielfältige Wahrnehmungsmöglichkeiten, um unseren Körper zu spüren. Sich selbst in seiner bewegenden Hülle angenehm oder entspannt zu fühlen, ist eine Fähigkeit, die viele Menschen verloren haben. Viele Menschen klagen über fehlende Entspannungsfähigkeit, unangenehmes Körperempfinden, Verspannungen und stressbedingte Missempfindungen.
Faszien versorgen uns aufgrund ihrer Rezeptoren (Golgi-, Ruffini-, Pacinirezeptoren und freie Nervenenden) mit vielen wichtigen Informationen wie z. B. die Lage und Spannung unseres Körpers. Dieses Erspüren ist eine bedeutende Voraussetzung für bessere und harmonischere körperliche Leistungen. Eine Verringerung der Anfälligkeit von Verletzungen im Bereich des Bewegungsapparates ist das Ergebnis eines gesunden Fasziensystems.
Menschen mit guter Körperwahrnehmung, die über ein ausgezeichnetes Bewegungsrepertorium (z. B. Tänzer, Kampfkunstsportler usw.) verfügen, haben weniger Schmerzen. Gerade für Schmerzpatienten ist es wichtig, ein gesundes, starkes und elastisches Fasziensystem aufzubauen.
Mit Roland Liebscher Bracht und Dr. Robert Schleip haben sich zwei Menschen zu diesem Thema sehr verdient gemacht und großartige Pionierarbeit geleistet. Vielen Dank an euch beide.
Ihr Hubert Brüderlein