Vor ein paar Monaten bekam ich über physio.de einen interessanten Artikelhinweis, den ich Ihnen gerne vorstellen möchte.
Das Knie ist bei vielen Menschen eine Schwachstelle. Einer Studie von Bostoner Medizinern zufolge leiden in der amerikanischen Stadt Framingham in Massachusetts jede fünfte Frau zwischen 50 und 59 Jahren und mehr als jeder zweite Mann zwischen 70 und 90 Jahren an einem eingerissenen oder gar zerstörten Meniskus.
In Deutschland wird dies nicht anders sein. Die Standard-Antwort auf solche Probleme lautet bei vielen Orthopäden: Operation
Derzeit mehren sich aber Hinweise, dass sich Meniskusbeschweren oft auch ohne einen solchen Eingriff bessern – und dass Abwarten und Teetrinken oder Physiotherapie genauso effektiv sein können wie eine OP. Aktuell haben finnische Mediziner um Raine Sihvonen der Hatanpaa Klinik im renommierten New England Journal of Medicine ihre Studie vorgestellt. Darin nahmen 146 Patienten mit Symptomen eines Meniskusrisses zwischen 35 und 65 Jahren eine Gelenksspiegelung am Knie vor, operierten aber nur die Hälfte davon.
Die Probanden wussten nicht, zu welcher Gruppe sie gehörten. Alle Studienteilnehmer hatten vorher zwar unter Schmerzen gelitten, aber es waren noch keine Veränderungen am Kniegelenk sichtbar. Ein Jahr später verglichen die Forscher die Schmerzen in beiden Gruppen und stellten fest: Es gab keinen Unterschied. Entweder hatte bei den Nicht-Operierten der Placebo-Effekt gewirkt oder die Beschwerden hatten sich einfach von alleine gebessert.
Bereits vor zwölf Jahren hatten texanische Forscher ein ähnliches Ergebnis bei Patienten mit Kniegelenksarthrosen veröffentlicht. Und eine weitere aktuelle Publikation von Medizinern um Jeffrey Katz von der Universität Harvard im New England Journal bestätigt die Ergebnisse der Finnen ebenfalls.
Katz verglich zwei Patientengruppen mit Meniskusriss und Verschleißerscheinungen im Knie. Während die eine Gruppe operiert wurde, erhielt die andere Physiotherapie und übte zu Hause – allerdings mit der Option, sich jederzeit für eine OP entscheiden zu können. Auch hier fand man sechs bzw. zwölf Monate nach Studienbeginn kaum Unterschiede hinsichtlich Schmerzen und Funktion der Kniegelenke.
Einige konservative Orthopäden und Präventionsmediziner wie die australische Ärztin Rachelle Buchbinder fordern daher „die gängige Praxis zu ändern“ und nicht immer sofort zu operieren. Schließlich ist der Eingriff teuer und birgt Risiken, die sich vermeiden lassen. Andere Mediziner setzen auf individuelle Entscheidungen. Klar scheint jedenfalls, dass offenbar mehrere Behandlungswege bei Meniskusrissen zum Erfolg führen.
Mein Kommentar:
Steht man vor der Entscheidung, sich operieren zu lassen, dann kann es von Vorteil sein, sich eine unabhängige zweite Meinung einzuholen. Nach persönlichen Beobachtungen in den letzten 3 Jahrzehnten kann ich die oben beschriebenen Studienergebnisse nur bestätigen. Ich denke, es wird sehr oft unterschätzt, welche inneren Regenerationskräfte unser Körper besitzt. Wenn man die Natur durch gezieltes Verhalten im Alltag unterstützt, können solche Heilungen noch viel eher geschehen. Deshalb würde ich nicht nur abwarten, sondern mit physiotherapeutischen Maßnahmen die Heilungsphase aktiv unterstützen.
Gibt es Kriterien, sich früher operieren zu lassen. Ich denke ja.
4 Aspekte sollten Sie beachten:
- Wenn über Monate das Kniegelenk immer dick (Gelenkserguss) ist.
- Wenn über Monate das Kniegelenk überwärmt ist.
- Wenn über Monate die Schmerzen ständig vorhanden sind und eine Einnahme von Schmerzmitteln erforderlich ist.
- Wenn nach 6 bis 9 Monaten keine Verbesserung (siehe 1 – 3) zu erkennen ist.
Sollten Sie dennoch eine OP nach 6 bis 9 Monaten brauchen, dann können Sie mit einem sehr guten Gewissen in die OP gehen. Warum?
Sie haben vorher alles konservativ ausprobiert und durch die Übungen während der Physiotherapie und zu Hause sich auf die OP bestens vorbereitet. Die Folgen sind meist ein sehr guter OP-Verlauf, kürzerer Heilungs- und Reha-Verlauf und ein entsprechend gutes und nachhaltiges Ergebnis.
Ihr Hubert Brüderlein