„Viele Ärzte empfehlen (immer noch) bei verschieden Krankheiten körperliche Schonung oder raten von jeglicher körperlicher Aktivität ab“ , klagt der Remscheider Internist Herbert Löllgen im “ Deutschen Ärzteblatt„. Doch gerade bei Stoffwechselerkrankungen und Gelenkverschleiß sei Nichtstun „meist kontrainduziert“ und verschlechtere sogar die Lebensqualität. Besonders Krebspatienten werden bis heute vielfach zu körperlicher Untätigkeit angehalten – aus dem ärztlichen Glauben heraus, sie verkraften dadurch die Strapazen der Behandlung besser.
Doch anscheinend ist eher das Gegenteil wahr, berichtet die „Deutsche Zeitschrift für Onkologie“. In einem Schwerpunkt beschreibt das Blatt, wie manche Ärzte dazu übergehen, selbst schwerkranken Patienten Ergometer aufs Krankenzimmer zu stellen. Bewegung verbessert demnach die Lebensqualität und stärkt die körpereigene Krebsabwehr. Generell dürfte „Onkel Doktors Rat zur Ruhe“ das Ableben etlicher Patienten befördern. Beispiel Herzmuskelschwäche: Die krankmachenden physiologischen Vorgänge, die zum Schwund des Pumpmuskels führen, verschlimmern sich, wenn der Betroffene sich auf ärztliche Anordnung hin nicht mehr bewegt. Gut informierte Mediziner verordnen inzwischen das Gegenteil: Einer aktuellen Übersichtsstudie zufolge kann Sport bei stabiler chronischer Herzinsuffizienz die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, um etwa 35 Prozent senken.
Auch den Einfluss von Inaktivität auf gesunde Menschen haben Forscher neu bewertet. Der unter Büroangestellten so verbreitete Minimalgebrauch der Muskeln kann demnach fast so schädlich sein wie das Qualmen von Zigaretten. Die Sterblichkeitsrate träger Menschen liegt bis zu einem Drittel höher als jene reger Vergleichspersonen. Ein Senior, der jeden Tag eine Meile (1,6 Kilometer) weniger spazieren geht als sein gleichaltriger Nachbar, wandert – bei sonst gleichen Risiken – sieben Jahre früher ins Grab.
Die Hoffnung, körperliches Nichtstun sei nicht weiter abträglich, sofern man nur das Gewicht halte und sich vernünftig ernähre, halten Evolutionsmediziner wie Frank Booth von der University of Missouri in Columbia für einen Trugschluss. Die modernen Menschen seinen genetisch noch immer auf das Leben als Jäger und Sammler programmiert, weil ihre genetische Ausstattung sich in den 10.000 Jahren seit der Steinzeit kaum verändert hat. Damals vollbrachten die Menschen Tag für Tag athletische Höchstleistungen , wenn sie Nahrung suchten, wilden Tieren nachstellten und Unterkünfte bauten. Diejenigen, die aufgrund ihrer Gene dazu nicht fähig waren, starben aus .
So entstand in den Überlebenden im Laufe der Jahrtausende ein biologisches Rüstzeug, das immer weiter vererbt wurde. Es bürgt für optimale Abläufe – aber eben nur, solange ein Individuum sich jeden Tag bewegt.
Auf eines ist das Erfolgsmodell Homo sapiens gar nicht eingestellt: Bewegungsarmut. Heute jedoch findet sich ein großer Teil der Weltbevölkerung in Industriegesellschaften wieder, für die seine genetische Mitgift nie vorgesehen war. Milliarden Menschen verbringen die meiste Zeit ihres Tages im Sitzen oder im Liegen .
Zwar haben sie dank verbesserter Hygiene und Geburtsmedizin sowie Antibiotika eine deutlich längere Lebenserwartung als ihre Vorfahren. Aber der Durchschnittsangestellte in einem Büro wäre sehr viel gesünder, sagen die amerikanischen Evolutionsmediziner Randolph Nesse und Georg Williams, verbrächte er seine Tage damit, nach Muscheln zu tauchen oder auf Bäume zu klettern.
Was passiert jedoch im Körper des Menschen, wenn er sich nicht genügend bewegt? Das erfahren Sie im nächsten Artikel.
Ihr Hubert Brüderlein