Liebe Leserinnen und Leser,
ob in unserer Medizin Platz für Gott ist, das ist eine hochspannende Frage, die wir letzte Woche angefangen haben, zu beleuchten. Heute möchte ich in diesem Zusammenhang ein Thema behandeln, das in unserer Gesellschaft kontrovers diskutiert wird: Ärzte und der Tod. Wann sind Wiederbelebungsmaßnahmen angebracht?
Die Angst vor dem Tod scheint in unserer Kultur so groß zu sein, dass viele Menschen und bestimmte Berufsgruppen sich nicht näher damit auseinandersetzen. Als ich das
erste Mal in einem Präparationssaal an Leichen arbeiten durfte, erkannte ich, dass wir Menschen mehr sind als nur unser Körper. Diese Erkenntnis motivierte mich, mehr vom Leben und vom Tod verstehen zu wollen.
In den letzten Jahren habe ich mich mit Fragen beschäftigt, wie
Wer bin ich?
Woher komme ich?
Was ist der Sinn meines Lebens?
Je nachdem wie wir diese Fragen beantworten, werden wir unterschiedliche Einstellungen zum Leben und zum Tod entwickeln. Zurück zu unserer Ausgangsfrage, wann sind Wiederbelebungsmaßnahmen angesagt? Neale Donald Walsch beantwortet diese Frage wie folgt: „Ich vertrete die Auffassung, dass kein Arzt in einem Operationssaal oder irgendeiner anderen Situation (z. B. Verkehrsunfall oder bei der Geburt eines Kindes) die moralische oder die spirituelle Autorität
besitzen sollte zu sagen: Also, wisst ihr was? In diesem Fall ist der Tod genauso gut wie das Leben und wenn wir diesen Menschen reanimieren oder einen an ein Wunder grenzenden Weg finden, ihn am Leben zu halten, ist seine Lebensqualität vermutlich nicht besonders hoch. Also lassen wir ihn sterben. Denn nach meiner Einschätzung ist er tot einfach besser dran.“
Mit anderen Worten, man kann den Patienten nicht weniger Autorität über ihr eigenes Leben einräumen als den Ärzten im Operationssaal. Doch in vielen Situationen
können Patienten eben nicht mehr sagen: „Wissen Sie, ich danke Ihnen, dass Sie mir das Leben gerettet haben, aber in diesem Zustand will ich nicht weiterleben. Ich will sterben.“ Die Patienten haben weniger Macht, darüber zu entscheiden, als der Arzt.
Meiner Meinung nach sind die Ärzte verpflichtet, sich für das Leben des Patienten einzusetzen und zu erhalten, wenn Patienten geistig dazu nicht in der
Lage sind oder es keine Patientenverfügung gibt.
Stellen sie sich vor: Die Ärzte haben alles getan, was sie konnten, um das Leben des Patienten zu retten und hatten damit Erfolg, jedoch ist die Lebensqualität des Patienten sehr stark eingeschränkt. Und stellen Sie sich weiter vor, Sie können als Arzt den Patienten fragen, möchten Sie unter diesen Umständen weiterleben oder entscheiden Sie sich für das Sterben?
Meiner Meinung sollte dem Patienten bei vollständiger Geisteskraft die Wahl überlassen werden, was sein Wunsch ist, und ihm dabei Unterstützung zustehen.
Ich habe bei meinem Vater erlebt, dass sein letztes Lebensjahr eine Tortur war und nichts mehr mit einem lebenswerten Leben zu tun hatte. Auch in dieser Situation
sollten wir das größte Geschenk unseres Schöpfers, den freien Willen, annehmen und umsetzen.
Ihr Hubert Brüderlein